BLOG – 06. JULI 2022

Die Zukunft der Berufsorientierung

- überall & jederzeit

Am Samstag, den 09.07.22 war es soweit. Die Bildungsmesse Rodgau fand wieder digital, aber zum ersten Mal in hybrider Form statt.
Nachdem die Messe aufgrund der Corona-Maßnahmen letztes Jahr nur online stattfinden konnte und die Jahre davor ausschließlich vor Ort besucht werde konnte, hat die Bildungsmesse dieses Jahr einfach beide "Standorte" kombiniert. Ein besonderer Schritt, wie wir finden und über den wir uns sehr freuen.
Das Team der Berufsorientierung Offenbach hat es begriffen. Die Orientierungsphase der Schülerinnen und Schüler findet eben nicht nur eins bis zweimal im Jahr statt. Das Interesse sich mit Firmen zu verknüpfen und auszutauschen besteht dauerhaft. Kaum eine Generation vor de Generation Z hatte im jungen Alter so ein starkes Bedürfnis nach Networking.
Und um diesen Bedürfnis nachzugehen, hat die Berufsorientierung CFM | Connected Events nun dauerhaft im Einsatz. Ganzjährlich dient sie als Beurfsorientierungsplattform und wird für Events, wie der Bildungsmesse am Samstag "schnell" zu einer Messe umgebaut. Einfach grandios.

Wie es dazu kam und was den Wandel ausgelöst hat, hat unsere rasende Reporterin Jacky Gerrit Kratz, einen der Hauptverantwortlichen der Plattform, einmal selbst gefragt. Viel Spaß beim Lesen!
Jacky: Woher kam die Idee für eine ganzjährige Berufsorientierungsplattform? Aus welchen Anforderungen ist die Idee entstanden?

Gerrit Kratz: Die Idee ist im Grunde aus einer Aussteller-Befragung nach unserer ersten digitalen Rodgauer Bildungsmesse entstanden. Wir, von der Stadt Rodgau, veranstalten seit über 25 Jahren eine Ausbildungsmesse. Seit zehn Jahren nennen wir sie Bildungsmesse, da wir auch andere Aspekte der Bildungsbiografie in den Blick nehmen, wie z. B. ein freiwilliges soziales Jahr etc.
Mit der Pandemie wurde uns klar, dass wir für 2021 eine krisensichere Lösung brauchen. Wir wussten: Wir können auf keinen Fall in den Präsenzbereich gehen und brauchen etwas Digitales.
Zufälligerweise lernte ich in einer anderen Hilfsaktion, die ebenfalls digital stattfand, den Geschäftsführer von CFM - Frank Müller - kennen. Er hat mir erzählt, welche Möglichkeiten die CFM | Connected Events Plattform für digitale Veranstaltungen bietet. Daraus entstand schließlich der Plan zur ersten digitalen Bildungsmesse der Stadt Rodgau – die wir mit Erfolg umgesetzt haben!
Im Anschluss haben wir unsere Aussteller zu dem Konzept der digitalen Messe und ihren Erfahrungen befragt. Die Rückmeldungen waren breitgefächert - von totaler Begeisterung, durch viel Zulauf, vielen Gesprächen, Anfragen, Chats und gutem Networking bis hin zu Unzufriedenheit, durch das Ausbleiben eben solcher.
Die weniger zufriedenen Parteien kommen aus Branchen, welche auf Bildungsmessen gerne haptische Eindrücke anbieten und Materialien mitbringen. Wie z. B. ein Schreiner, der sein Werkzeug mitbringt, oder der Bäcker, der den Interessenten im Anschluss zum Gespräch etwas Selbstgebackenes mitgibt. Für solche Branchen gerät das digitale Format leider an seine Grenzen, sodass diese Abstriche machen müssen.
Dass wir digital also nicht alle glücklich kriegen können, hat uns in die Richtung des hybriden Eventformats gebracht.
Wir merkten auch: Berufsorientierung findet eben nicht nur 1 Mal im Jahr für zwei Stunden statt!


Jacky: Bezüglich des Beispiels mit dem Schreiner - ich war auch schon auf vielen Berufsmessen vor Ort, wegen Studium und Karriere usw - meinst du solche Berufe, die von haptischen Eindrücken leben haben wirklich mehr Vorteile auf einer Präsenz-Messe? Wenn ich jetzt an einen Schreiner denke, der würde ja sein Holz nicht auf die Messe mitnehmen, oder?

Gerrit Kratz: Doch, an der Präsenz-Messe haben hat der Schreiner seine Säge dabei und Puzzleteile aus Holz - es ist alles da und die Teilnehmer können die Teile anfassen, sich im Sägen probieren, das Holz riechen, oder z. B. im Bäckerhandwerk das Gebäck schmecken! Das ist was, das man digital nicht hinbekommt - noch nicht. Irgendwann kommt das vielleicht.
Das Sägen kann sich fast jeder vorstellen, aber dass das auf den Arm geht - das kann sich nicht jeder vorstellen und genau da müssen wir die Kurve kriegen. Insgesamt müssen wir für alle eine Lösung anbieten und deshalb sind wir zu dem Schluss gekommen: ganzjährig digital.
Der digitale Aspekt wird zu einer Art „Begleit-Feuerwerk“, z. B., um die Reichweite zu erhöhen. Für manche ist es ein Hindernis mehrere Kilometer zu fahren und da hat die digitale Form einen ganz klaren Vorteil. Die Aussteller können ein deutschlandweites Publikum ansprechen und die Teilnehmer können von überall erste Kontakte zu den Unternehmen pflegen.


Jacky: Ja, das stimmt. Und die Unternehmen, die vom Digitalen nicht abgeholt werden, nehmt ihr die trotzdem mit an Bord oder haben die keine Lust darauf?

Gerrit Kratz: Es ist schon häufiger die Frage an uns herangetragen worden, ob die Unternehmen den digitalen Teil machen müssen. Wir haben uns deshalb dazu entschieden, ein „hybrides Experiment“ zu starten. Wie sich die Anteile dieses Jahr entwickeln, können wir noch nicht genau sagen - wie viele kommen digital und wie viele kommen hybrid und wie viele gehen vielleicht digital vor Ort an den Messestand heran?
Das ist nämlich eine weitere Variante: Vor dem Messestand sein und trotzdem mit dem anderen chatten, obwohl derjenige gegenübersitzt. Ist ein bisschen verrückt, aber könnte passieren, dass so der erste Kontakt aufgenommen wird.
Wir glauben, dass der goldene Mittelweg das Hybride ist – so können wir beides anbieten.


Jacky: Sehe ich auch so. Das Experiment ist ein wichtiger Punkt. Was ist bei so einem Konzept denn besonders wichtig? Auf was liegt der Fokus?

Gerrit Kratz: Dass alle mitziehen und den Mut und die Motivation aufbringen, Neues auszuprobieren. Wir waren relativ zügig mit der digitalen Form, trotzdem bekommen wir immer wieder die Rückmeldung von vielen Ausstellern, dass sie nicht ausschließlich das Digitale und lieber wieder in die Präsenz zurück wollen.
Und das bestärkt uns darin: Wir müssen diejenigen auf jeden Fall pushen, die über die digitale Form alle Zielgruppen bzw. ihr Ziel erreichen. Zugleich müssen wir aber auch denen etwas anbieten, die eigentlich die Präsenz benötigen. Und wenn wir beides anbieten, müsste jedem geholfen sein - so die Idee.
Bei dem Konzept war außerdem wichtig, dass die Stakeholder, die hier in der Stadt und im Kreis Offenbach für Berufsorientierung zuständig sind, eine Kooperation mit uns eingegangen sind und sich an der Idee beteiligt haben. Das war wichtig und das hat funktioniert.


Jacky: Und wie hat sich die Umsetzung gestaltet? Wo liegen die Schwierigkeiten?

Gerrit Kratz: Die Herausforderungen liegen ganz klar in den technischen Anforderungen, die wir als hybride Messe-Veranstalter ins Feld führen. Wir brauchen Umschalt-Möglichkeiten, elektronische Parkhäuser, mehrere Eingangsbereiche, um zu unterscheiden, ist jemand bei der Messe, oder ist man übers ganze Jahr im Berufsorientierungsbereich etc. Und das alles findet natürlich trotzdem auf der gleichen Plattform statt.
Die Aussteller können zudem die „Deko“ am Stand (Design des Counters) ändern, sodass sie sich mit einer gewissen Individualität präsentieren können - das ist wichtig und zugleich eine Herausforderung.
Die größte Herausforderung von allen ist jedoch, dass alles programmierbar ist und stabil läuft. Ich denke, das ist die größte Schwierigkeit.


Jacky: Nach welchen Kriterien wurde denn CFM | Connected Events gewählt? Wie seid ihr dabei auf uns gekommen? Dass du Frank kennengelernt hast, hast du ja schon erzählt…

Gerrit Kratz: Ja, es ging im Prinzip um „Rodgau helfen“ - auch eine Plattform - und Frank hat dabei über digitale Messen berichtet. So sind wir ins Gespräch gekommen und CFM | Connected Events hat zu uns gepasst. Er hat gesagt, er kann das und er hat Wort gehalten!


Jacky: Das klingt doch schön! 😁 Die Aussteller-Unternehmen habt ihr, wie du bereits sagtest, also über euer Netzwerk akquiriert, richtig?

Gerrit Kratz: Wobei man dazu sagen muss, dass wir letztes Jahr die IHK-Messe bei uns mit eingeklinkt hatten. Wir haben das gemeinsam organisiert und da hat natürlich jeder seine Aussteller im besonderen Maß mitgebracht. Die Akquise ist dann eine andere, wenn man geschlossen gut auftritt und gemeinsam eine größere Veranstaltung macht. Mit der IHK, der Handwerkskammer und der Stadt, die solche Veranstaltungen auch begleitet, kam viel Publikum zusammen.
Wir sind mit dem Zulauf zufrieden gewesen, müssen aber sagen, dass wir sonst mehr Aussteller hatten. Das lag daran, dass die ausgeblieben sind, die wirklich absoluten Wert auf Präsenz gelegt haben oder von ihrer Geschäftsführung die klare Anweisung hatten, dass sie auf keine Messe gehen.


Jacky: Okay, aber dem wirkt ihr durch das hybride Modell entgegen - also so ist der Plan.

Gerrit Kratz: Ja, genau.


Jacky: Welche Vorteile bietet diese Form der Berufsorientierung denn für Interessenten und Schüler?

Gerrit Kratz: Die Reichweite und die schnelle Erreichbarkeit bringen den Vorteil, dass man seine Kontakte direkt abspeichern kann und nichts verloren geht. Bei der BO-Plattform ist das Ziel: „Alles in Einem". Das heißt, man muss nicht mehr zwischen verschiedenen Plattformen oder Homepages wechseln, sondern hat alles an einem Ort. Das ist auch die Idee, die allen einleuchtet und alle begeistert.
Mit dem ganzjährigen Konzept haben wir einen Ort geschaffen, an dem alles stattfinden und erfasst werden kann - von der Beratung bis zur Firma, die vielleicht einen Jugendlichen im Anschluss als Azubi einstellt. Es ist alles an einem Platz und ich glaube, das ist auch der Funke, der gezündet hat.


Jacky: Wenn wir gerade beim Thema sind. Wo siehst du den großen Vorteil von eurer Plattform im Vergleich zu einer ganzjährigen Suche auf eigene Faust über Jobportale wie Stepstone?

Gerrit Kratz: Bei unserer Plattform sind auch Behörden und Organisationen, die beraten, vertreten. Ich nenne jetzt mal Beispiele, wie die Agentur für Arbeit oder die Pro Arbeit - die findet man normalerweise bei Stepstone nicht. Solche Partner brauchen wir mit an Bord, denn die sind dafür da, um für unsere Teilnehmer das Beste herauszuholen. Für uns zählt, dass jeder für sich einen guten Job findet, um damit sein Leben zukünftig gut gestalten zu können.
Ich glaube bei Stepstone oder bei anderen Plattformen ist keine Beratung integriert, sondern ausschließlich Vermittlung. Da gibt es sicher noch ein paar Tipps für Bewerbungsgespräche, aber eine neutrale Beratung an sich... Glaube ich nicht.

Jacky: Wie bekommen die Schüler das Bewusstsein, dass eure Plattform existiert?

Gerrit Kratz: Es gibt demnächst zwei Termine. Die Dienst-Versammlung für den Haupt- und Realschul-Bereich z.B., dort sind die entsprechenden BO-Koordinatoren an den Schulen und werden die Plattform vorstellen. Und die zweite Veranstaltung findet am 28. Juni für den Gymnasial-Bereich statt. Dort werden Jana und ich - wir haben uns das aufgeteilt - aufschlagen und über die Plattform berichten. Dann hoffen wir, dass das Ganze weitergetragen und über die Schulen weiterverbreitet wird. Das ist einer unserer Wege.
Außerdem drucken wir Flyer und schalten Werbung, sodass irgendwann jeder Schüler in der Stadt Rodgau, im Kreis Offenbach und in weiterer Umgebung mitbekommen sollte, dass eine Veranstaltung stattfindet und deren Teilnahem sowohl digital wie auch vor Ort möglich ist.


Jacky: Dann kommen wir zur Frage des Optimierungspotentials. Ich habe schon raushören können, dass es auf jeden Fall der hybride Faktor und die Anforderungen sind, die ihr an die Plattform habt. Gibt es da noch was anderes?

Gerrit Kratz: Wir sind vor Kurzem erst darauf angesprochen worden...
Es gibt Messen, auf denen man mit einer VR-Brille über die Stände laufen und den Stand in 3D erleben kann. Mich hat jemand gefragt, ob das eine Idee für uns wäre. Ich sage jetzt mal blauäugig: Ich glaube, das kostet zu viel Leistung. Leistung, die insbesondere für unsere Jugendlichen, die vielleicht einen Prepaid-Daten-Tarif haben oder irgendwo im Netzwerk hängen, nicht machbar ist.
Meiner Meinung nach, erfüllt ein stabil laufendes System mit einer 2D-Animation das Prinzip „Weniger ist mehr". Das 3D-Konzept ist für uns nicht zwingend notwendig. Sollte das irgendwann mal so sein, wäre natürlich eine solche Darstellung noch ein bisschen besser. Aber ich glaube, das scheitert am Datenvolumen unserer Zielgruppe.


Jacky: Also du meinst, eine zusätzliche Darstellungsform wäre an sich schön, aber nicht nötig? Sowas wäre mit Blick in die Zukunft zu optimieren?

Gerrit Kratz: Da könnte man darauf hinarbeiten, ja.
Eine weitere Optimierung wäre die geschickte Nutzung von Medien, z. B. für digitale Preisausschreibungen, ein Voucher-System...
Ich orientiere mich hier am Beispiel der Präsenz-Messen: Viele Aussteller nutzen Give-aways als Icebreaker, um ins Gespräch zu kommen.
Jetzt stellt sich die Frage: Welche Optionen können als digitale Give-aways genutzt werden? Denkbar wäre z. B. ein Gutschein von einer Firma, die sich ein Stück weit dafür bedanken möchte, dass jemand an den Stand kommt und Interesse zeigt. Sowas muss aber geschickt eingesetzt werden und die Firmen müssen es wollen.


Jacky: Digitale Icebreaker sind eine interessante Idee!

Gerrit Kratz: Ja, so könnte man besser ins Gespräch kommen. Es sollte nichts sein, was man sich einfach nehmen kann, sondern etwas, das ein Stand-Mitarbeiter dem Interessenten im Chat überreichen kann.
Oder ein Preisausschreiben - wichtiges Thema, bei dem wir gemerkt haben, dass Jugendliche länger bleiben, wenn es attraktiv gestaltet ist. Ein digitales Preisausschreiben wäre etwas, wo ich noch Optimierungsbedarf sehe.


Jacky: Interessante Gedanken! Die gebe ich auf jeden Fall an mein Team weiter. Damit kommen wir auch schon zur letzten Frage: Wie sieht die Zukunft der digitalen Jobvermittlung bzw. Karriereportale aus? Was meinst du?

Gerrit Kratz: Ein Stück weit muss ich an dieser Stelle passen. Wenn ich mich umhöre, sagen viele, dass sie wieder zurück in die Präsenz wollen. Ich denke, die Meinung wird sich irgendwann wieder wandeln und es wird Aussteller geben, die den digitalen Bereich brauchen.
In dem Fall sind wir gut aufgestellt und können beides bieten.
Ich glaube, dass Jobvermittlungen über solch nicht kommerzielle Messen in einen hybriden Bereich kommen müssen, weil das die Zukunft sein wird.
Die Firmen, die auf haptische Eindrücke angewiesen sind, werden sich vermutlich von digitalen Formaten wieder ein Stück weit entfernen. Und die, die ihre Präsentation im digitalen Bereich gut abdecken können, die werden mehr Gas geben, weil sie diesen Bereich weiterhin haben wollen.


Jacky: Du siehst das also eher gemischt und lässt dich überraschen, was überhandnimmt?

Gerrit Kratz: Ja, ich denke, das könnte sich 50:50 verteilen. Keiner möchte irgendeine Chance verpassen. Es gibt aber noch einen Faktor, den wir bedenken müssen: Keiner weiß, wo momentan der Zug hinfährt. Viele Betriebe sind sehr vorsichtig, auch in Hinsicht auf die wirtschaftliche Lage. Das ist eine Herausforderung, über die wir uns bisher noch keine Gedanken gemacht haben. Das hängt nicht zwingend mit der Plattform zusammen, sondern eher mit der allgemeinen Situation.
Deshalb kann ich die Frage "Wie sieht die Zukunft aus?" nicht mit 100-prozentiger Sicherheit beantworten. Ich würde schätzen, dass 30-50% der Betriebe vorsichtig sind und die Auswirkungen abwarten. Wir erleben aktuell einen Rückgang bei unseren Ausstellern - auch in Präsenz! Woran das liegt, wissen wir noch nicht genau…

Jacky